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Nachhaltigkeit im Bauwesen: Gewinn, Wert und neue Denkweisen

Interview, Publikationen 24 sep 2024

Als Nachhaltigkeitsberater bei Aveco de Bondt habe ich bereits vielen Unternehmen dabei geholfen, ihre Nachhaltigkeitsziele zu formulieren und diese in konkrete Maßnahmen zu übersetzen. Das erfordert nicht nur erschwingliche technische Lösungen, sondern vor allem auch eine grundlegende Verhaltensänderung – sowohl im Unternehmen selbst als auch in der gesamten Lieferkette. In diesem Artikel gehe ich näher auf die Herausforderungen, den Nutzen und die notwendigen Verhaltensänderungen ein, die zur Förderung nachhaltiger Praktiken in der Bauindustrie erforderlich sind.

Gewinn vs. Wert

Bei meiner Arbeit mit verschiedenen Unternehmen stoße ich oft auf dieselbe Herausforderung: Wie schafft man innerhalb eines Kreislaufgeschäftsmodells Werte? Unternehmen zögern oft, in Nachhaltigkeit zu investieren, wenn die Vorteile nicht sofort in ihrer eigenen Organisation sichtbar sind.

Nehmen wir zum Beispiel die Bauindustrie. Ein Unternehmen könnte in nachhaltige Baumethoden investieren, die die Betriebskosten für künftige Nutzer senken. Wenn das Unternehmen jedoch nicht selbst von diesen Einsparungen profitiert, wird es schwierig, die Investition zu rechtfertigen. So entsteht eine Lücke zwischen den Bemühungen eines Unternehmens um Nachhaltigkeit und dem letztendlichen Nutzen, der oft bei einer anderen Partei entlang der Wertschöpfungskette landet.

Das Hauptproblem ist dabei, dass die anfänglichen Kosten für nachhaltige Materialien und Baumethoden oft höher sind. Häufig werden Bauunternehmen danach beurteilt, wie niedrig sie ihre Baukosten halten können, so dass Nachhaltigkeit in dieser Betrachtungsweise manchmal, wie ein Luxus erscheint, den man sich nicht leisten kann.

Was bringt ein zirkuläres Geschäftsmodell?

Der Übergang von einem linearen zu einem zirkulären Geschäftsmodell ist zwar mit großen Herausforderungen verbunden, bietet aber auch viele Vorteile. Ein wesentlicher Vorteil besteht darin, dass Unternehmen, die diese Umstellung vornehmen, besser auf die steigende Nachfrage nach kreislauffähigen Produkten und Partnern in der Wertschöpfungskette vorbereitet sind. Künftige Gesetze und Vorschriften werden sich stärker auf Nachhaltigkeit, geringere Umweltauswirkungen und höhere Kreislauffähigkeit konzentrieren. Unternehmen, die jetzt damit beginnen, nachhaltige Praktiken einzuführen, können dies in ihrem eigenen Tempo tun. Wenn strengere Vorschriften in Kraft treten, werden sich Nachzügler schnell anpassen müssen, um überhaupt bei Ausschreibungen in Frage zu kommen, was mit erheblich höheren Kosten verbunden sein kann.

Darüber hinaus können Unternehmen, die jetzt auf Nachhaltigkeit setzen, bereits auf die Bedürfnisse der „nachhaltigen Vorreiter“ auf dem Markt eingehen – Kunden, die intrinsisch motiviert und bereit sind, mehr für nachhaltige Produkte zu bezahlen. Auf diese Weise können diese Unternehmen die ersten sein, die diese Nachfrage befriedigen und neue Geschäftsfelder erschließen.

Angesichts der jüngsten geopolitischen Entwicklungen wird es zudem immer wichtiger, über robuste Lieferketten zu verfügen. Im Jahr 2021 waren beispielsweise 25 % der Gasversorgung in den Niederlanden von der Krise betroffen. Dieser Anteil musste schnell reduziert werden, was zu hohen Kosten führte. Die konstante Nachfrage bei reduziertem Angebot führte zu Preissteigerungen. Ein weiteres Beispiel für unsere internationale Abhängigkeit ist die Unterbrechung der Lieferketten durch die COVID-19-Lockdowns in den Jahren 2020 und 2021. Produktion und Importe wurden gestoppt, weltweit strandeten Container und es kam zu langen Lieferzeiten und hohen Transportkosten.

Der Übergang vom linearen zum zirkulären Bauen ermöglicht es Unternehmen, Bauprodukte nach dem Rückbau eines Gebäudes zunehmend wiederzuverwenden oder zu recyceln. Dadurch können die Unternehmen einen immer größeren Teil der für künftige Projekte benötigten Materialien aus bestehenden Kreislaufimmobilien beziehen, ohne auf andere Länder angewiesen zu sein. Somit trägt ein Kreislaufgeschäftsmodell auch zum finanziellen Risikomanagement eines Unternehmens bei.

Der Schlüssel für zirkuläres Bauen

Für den Erfolg des zirkulären Bauens ist es unerlässlich, dass die Unternehmen ihre derzeitigen Geschäftsmodelle kritisch bewerten und Gespräche mit Lieferanten und Partnern führen. Eine Neudefinition der Rollen und eine Neuverteilung der Budgets und Einnahmen innerhalb der Lieferkette sind notwendig, um echte Nachhaltigkeit erreichen zu können. Der Schlüssel zur Kreislaufwirtschaft im Bauwesen liegt darin, das zu bauen, was (zirkulär) entworfen und entwickelt wurde. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, dass Architekten und Bauherren die Materialisierung und Demontage frühzeitig im Entwurfsprozess berücksichtigen.

Dieser Wandel wirkt sich auch auf die Abläufe in anderen Unternehmen der Wertschöpfungskette aus und erfordert eine neue Ausrichtung ihrer Mehrwerte, die sie bieten können. Es geht nicht nur darum, effizient zu arbeiten; es geht darum, wie Ihr Unternehmen zu einer Kreislaufwirtschaft beitragen kann und ob Sie bereit sind, Ihre Prozesse entsprechend anzupassen.

Verhaltensänderung: Die Wichtigkeit von Unterstützung

Die Änderung von vorhandenen Strukturen ist oft eine der größten Herausforderungen bei der Umsetzung von Nachhaltigkeit und ohne die Unterstützung des Managements fast unmöglich. Wenn zum Beispiel Geschäftsleitungen eine Nachhaltigkeitsvision definieren und ein Projektleiter nach dieser handelt, muss er auch die nötige Unterstützung erhalten, wenn dafür zusätzliche Investitionen in Projekten erforderlich sind. Geschieht dies nicht, untergräbt dies die Glaubwürdigkeit der Organisation und entmutigt Mitarbeiter, für nachhaltige Lösungen einzustehen.

Außerdem ist es wichtig, dass Mitarbeiter verstehen, warum Nachhaltigkeit wichtig ist, sowohl für sie selbst als auch für ihr Unternehmen. Kann man das in einem Satz erklären? Dabei kann es sich um objektive Gründe wie Kosteneinsparungen oder Marktpositionierung handeln, aber auch um eher subjektive Beweggründe wie das positive Gefühl, einen nachhaltigen Beitrag zu leisten, oder als Team ein gemeinsames Ziel zu haben. Wenn Mitarbeiter diese Gründe nicht benennen können, ist die Motivation für eine Verhaltensänderung klein.

Herausforderungen im Bausektor

Der Bausektor ist für seine konservative Einstellung zu bekannt. Durch meine Arbeit in diesem Sektor habe ich verstanden, warum. Für ein Beratungsunternehmen mit einem gemieteten Büro und 50 Computern ist die Umsetzung einer Nachhaltigkeitsstrategie relativ einfach: Man handelt mit dem Vermieter einen nachhaltigen Energievertrag aus, least Elektroautos, fördert Remote-Arbeit und tätigt nachhaltige Anschaffungen. Im Bausektor hingegen sind die Herausforderungen und Investitionen in Bezug auf Nachhaltigkeit deutlich komplexer und umfangreicher. Die Kreislaufwirtschaft im Bauwesen umfasst die Prozesse von Bau, die Instandhaltung und den Rückbau von Gebäuden und Infrastruktur bis hin zur Wiederverwendung oder Recycling von Materialien nach dem Rückbau. Dieser Prozess erstreckt sich über mehrere Jahrzehnte, erfordert große Investitionen und betrifft unzählige Interessen, die innerhalb einer komplexen Wertschöpfungskette in Einklang gebracht werden müssen. All dies muss geschehen, ohne dabei die immer strenger werdenden (inter)nationalen Gesetze und Vorschriften aus den Augen zu verlieren.

Madaster: Der Katalysator für einen beschleunigten Wandel

Madaster spielt eine entscheidende Rolle bei der Änderung des Verhaltens von Unternehmern in Richtung von mehr Nachhaltigkeit. Die Plattform gibt Unternehmen Werkzeuge an die Hand, um ihre Bauprojekte im Hinblick auf Nachhaltigkeit zu untersuchen und zu optimieren. Madaster macht Nachhaltigkeit greifbar und transparent, indem es den Unternehmen aufzeigt, wie sich Design- und Konstruktionsentscheidungen auf die Umweltbilanz und Demontage auswirken. Dies macht es deutlich einfacher, nachhaltige Entscheidungen zu treffen.

Das Einzigartige an Madaster ist, dass es die gesamte Baulieferkette an einen Tisch bringt. Dadurch können Nachhaltigkeitsentscheidungen und deren Auswirkungen frühzeitig mit allen relevanten Parteien diskutiert und sicherstellt werden, dass niemand überrumpelt wird und dass das, was geplant ist, auch tatsächlich gebaut wird.

Bram Orsel

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